Ich bin total lost in translation. Vier Wochen vor meinem Abflug habe ich
angefangen, Spanisch zu lernen, weil in Kolumbien niemand Englisch kann. Hier im Alltag merke ich allerdings, dass
kaum ein grammatikalisch korrekter Satz meinen Mund verlässt. Manchmal lege ich
mir Redewendungen zurecht, von denen ich weiß, dass ich sie später am Tag
brauchen werde. Dann sage ich sie im passenden Moment, bin extrem stolz – und verstehe
nur Bahnhof, wenn mein Gegenüber nachhakt. Ich kehre dann jedes Mal frustriert
zu meinem Standardsatz zurück.
No hablo español... si... desculpe... gracias.
In
den letzten Jahren war ich immer mal wieder in der Situation, in der ich als
Einzige einer Gruppe die Sprache nicht beherrschte. Das ist für alle Beteiligten
eine unangenehme Situation, denn diejenigen, die kein Englisch sprechen,
wissen, dass sie mich mehr oder weniger ausschließen und ich, tja, ich fühle
mich sowieso nicht integriert. Erst vor zwei Wochen saß ich im Auto mit vier
weiteren Personen, die wild auf Spanisch gegackert und gelacht haben. Ich habe
mitgelacht. Allerdings aus verlegener Höflichkeit, nicht, weil ich die Witze
verstanden habe.
Gina,
so komplett lost in translation zu
sein, das ist für mich echt schwer. Ich, die so gerne ihr Gegenüber verbal in
den Boden stampft, wenn es zu einer Diskussion kommt. Vor ein paar Tagen musste
ich eine Beschwerde-E-Mail an eine Fluggesellschaft verfassen und du kannst dir
sicherlich vorstellen, wie schlecht formuliert sie ausgefallen ist und mir
diese Tatsache fast die Tränen in meine Äuglein trieb.
Mit
den verschiedenen Sprachen auf dieser Welt kommen auch die Herausforderungen.
Ich liebe die Vielfalt und den Klang einer fremden Sprache. Außerdem besteht
dadurch immer die Möglichkeit, sie zu lernen. Andererseits sind die Momente, in
denen man alleine in einem anderen Land ist, sehr frustrierend, wenn man von
niemandem verstanden wird und man anfängt, Selbstgespräche zu führen. Um der
heimatlichen Sprache willen.
Eine
Sache wird mir allerdings immer auf Reisen bewusst: Ich liebe die deutsche
Sprache. Und nein, sie besteht nicht nur aus einem Krächzen im Rachen, wie
Margarita, meine Vermieterin hier in Medellín, behauptet und dies mit seltsamen
Geräuschen untermalt. Rilke hätte sich im
Grab umgedreht. Ach, da ist doch so viel mehr. Da kann so viel zwischen den
Zeilen stehen, zwischen den Worten. Und für jeden Begriff gibt es tausend
Worte. Vielfältiger und schöner geht’s kaum. Deutsch als Weltsprache. Das wäre
doch was.
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Im Bild festgehalten: Der Moment, in dem man im Café festellt, dass keine Memory Card in der Kamera ist, und man deshalb mit der Webcam kreativ werden muss... |
Gina denkt:
Eigentlich
könnte ich mich freuen, denn ich habe es mir über die letzten Monate in meiner
hauseigenen Erasmusblase so richtig gemütlich gemacht: Germanistikkurse auf
Italienisch sind machbar, da hier und da immer ein deutsches Wort fällt, dass
der Orientierung verhilft. Meine Kommilitonen freuen sich, an mir endlich mal
ihre Deutschkenntnisse zu erproben. Und meine neuen Freunde kommen vor allem
aus Australien, Amerika und nun ja, Deutschland. Lost in Translation? Weit gefehlt. In der Touristenhochburg Venedig
spricht man auch im kleinsten Café in der abgelegensten Gasse noch ein paar
Fetzen Englisch – an hochfrequentierten Plätzen meist noch Französisch oder
sogar ein paar Brocken Deutsch. Und wenn ich dann irgendwo den Mund aufmache,
um selbstbewusst meine italienischen Sätze vorzutragen, so erkennt man mich
natürlich gleich als Auswärtige und antwortet fluchs auf Englisch. Und auch
wenn das in den meisten Fällen einfach nett gemeint ist, so wird einem doch
immer wieder vorgehalten: Du gehörst nicht dazu.
Dass
Venedig in Italien diesbezüglich allerdings eine Sonderstellung einnimmt, wurde
mir spätestens klar, als ich in Verona einmal in den falschen Bus stieg und
abseits des touristisch geprägten Stadtzentrums tatsächlich niemand mehr ein
Wort Englisch verstand. Da durfte ich dann im Gehirn nach Worten graben und
durch wilde Gesten mein Anliegen deutlich machen (das verstehen die Italiener
sowieso!). Was ich damit sagen will, liebe Ani, ist Folgendes: Mich müsste man
tatsächlich mal öfter in ein Auto mit einem Haufen Italiener ferchen. Eine
Sprache lernt man schließlich am besten durch Sprechen. Und die Frustration der
Sprachlosigkeit ist gleichzeitig die Motivation, Grammatik zu pauken und sich
überhaupt zu trauen, den Mund aufzumachen – auch wenn das, was rauskommt, am
Anfang vielleicht manchmal keinen Sinn ergibt.
Stattdessen
macht sich hier Bequemlichkeit breit: Lieber mit Freunden aus aller Welt noch
mit einem Spritz auf dem Campo Santa Margherita anstoßen, als daheim zu sitzen
und Verben zu konjugieren. Da lernt man zumindest so wichtige Sachen wie: „Ha
un accendino?“ (Haste mal Feuer?) Und während unser Italienisch definitiv noch
zu wünschen übrig lässt, rühre ich nebenbei die Werbetrommel für die deutsche
Sprache. Der neue Lieblingsausdruck meiner Erasmuskumpanen lautet jetzt „treulose
Tomate“. Darauf lässt sich aufbauen, oder?