Kaffeesätze #3: Lost in Translation - Von fehlenden Worten und Erasmusblasenkomfort

posted on: Sonntag, 13. April 2014

Hallo ihr Lieben! Es ist wieder Zeit für eine neue Runde #KAFFEESÄTZE mit der wundervollen Ani von Anidenkt. Wie ihr wisst, sind die Spielregeln dabei ganz einfach: Man nehme ein Thema, das uns schreibwütige Bloggerinnen gerade beschäftigt. Die eine denkt, wünscht und wütet auf Papier, die andere zieht mit ihrem Text nach. Am Ende entstehen zwei kleine Kolumnen, die kontrovers sein mögen oder ganz konform gehen - denn Absprechen ist verboten. Dazu gibts Koffein und eine kleine Nascherei. Und im Anschluss kann natürlich weiter diskutiert werden. Unter dem Hashtag #Kaffeesätze seid ihr herzlich eingeladen eure Gedanken im Sozialen Netzwerk eures Vertrauens oder gleich in der Kommentarfunktion kund zu tun.

Jüngst beschaute sich Ani in der Kaffeewelthauptstadt Kolumbien den Herstellungsprozess unseres Lieblingsgetränks und musste im Anschluss sogar verschiedene Aromen im fertigen Kaffee herausschmecken. Ihr Fazit: In Zukunft viel bewusster Kaffee trinken! Mein Fazit: Ich muss dringend nach Südamerika!


Ani denkt:
Ich bin total lost in translation. Vier Wochen vor meinem Abflug habe ich angefangen, Spanisch zu lernen, weil in Kolumbien niemand Englisch kann. Hier im Alltag merke ich allerdings, dass kaum ein grammatikalisch korrekter Satz meinen Mund verlässt. Manchmal lege ich mir Redewendungen zurecht, von denen ich weiß, dass ich sie später am Tag brauchen werde. Dann sage ich sie im passenden Moment, bin extrem stolz – und verstehe nur Bahnhof, wenn mein Gegenüber nachhakt. Ich kehre dann jedes Mal frustriert zu meinem Standardsatz zurück.
No hablo español... si... desculpe... gracias.

In den letzten Jahren war ich immer mal wieder in der Situation, in der ich als Einzige einer Gruppe die Sprache nicht beherrschte. Das ist für alle Beteiligten eine unangenehme Situation, denn diejenigen, die kein Englisch sprechen, wissen, dass sie mich mehr oder weniger ausschließen und ich, tja, ich fühle mich sowieso nicht integriert. Erst vor zwei Wochen saß ich im Auto mit vier weiteren Personen, die wild auf Spanisch gegackert und gelacht haben. Ich habe mitgelacht. Allerdings aus verlegener Höflichkeit, nicht, weil ich die Witze verstanden habe.

Gina, so komplett lost in translation zu sein, das ist für mich echt schwer. Ich, die so gerne ihr Gegenüber verbal in den Boden stampft, wenn es zu einer Diskussion kommt. Vor ein paar Tagen musste ich eine Beschwerde-E-Mail an eine Fluggesellschaft verfassen und du kannst dir sicherlich vorstellen, wie schlecht formuliert sie ausgefallen ist und mir diese Tatsache fast die Tränen in meine Äuglein trieb.

Mit den verschiedenen Sprachen auf dieser Welt kommen auch die Herausforderungen. Ich liebe die Vielfalt und den Klang einer fremden Sprache. Außerdem besteht dadurch immer die Möglichkeit, sie zu lernen. Andererseits sind die Momente, in denen man alleine in einem anderen Land ist, sehr frustrierend, wenn man von niemandem verstanden wird und man anfängt, Selbstgespräche zu führen. Um der heimatlichen Sprache willen.

Eine Sache wird mir allerdings immer auf Reisen bewusst: Ich liebe die deutsche Sprache. Und nein, sie besteht nicht nur aus einem Krächzen im Rachen, wie Margarita, meine Vermieterin hier in Medellín, behauptet und dies mit seltsamen Geräuschen untermalt. Rilke hätte sich im Grab umgedreht. Ach, da ist doch so viel mehr. Da kann so viel zwischen den Zeilen stehen, zwischen den Worten. Und für jeden Begriff gibt es tausend Worte. Vielfältiger und schöner geht’s kaum. Deutsch als Weltsprache. Das wäre doch was.

Im Bild festgehalten: Der Moment, in dem man im Café festellt, dass keine Memory Card in der Kamera ist, und man deshalb mit der Webcam kreativ werden muss... 


Gina denkt:
Eigentlich könnte ich mich freuen, denn ich habe es mir über die letzten Monate in meiner hauseigenen Erasmusblase so richtig gemütlich gemacht: Germanistikkurse auf Italienisch sind machbar, da hier und da immer ein deutsches Wort fällt, dass der Orientierung verhilft. Meine Kommilitonen freuen sich, an mir endlich mal ihre Deutschkenntnisse zu erproben. Und meine neuen Freunde kommen vor allem aus Australien, Amerika und nun ja, Deutschland. Lost in Translation? Weit gefehlt. In der Touristenhochburg Venedig spricht man auch im kleinsten Café in der abgelegensten Gasse noch ein paar Fetzen Englisch – an hochfrequentierten Plätzen meist noch Französisch oder sogar ein paar Brocken Deutsch. Und wenn ich dann irgendwo den Mund aufmache, um selbstbewusst meine italienischen Sätze vorzutragen, so erkennt man mich natürlich gleich als Auswärtige und antwortet fluchs auf Englisch. Und auch wenn das in den meisten Fällen einfach nett gemeint ist, so wird einem doch immer wieder vorgehalten: Du gehörst nicht dazu.

Dass Venedig in Italien diesbezüglich allerdings eine Sonderstellung einnimmt, wurde mir spätestens klar, als ich in Verona einmal in den falschen Bus stieg und abseits des touristisch geprägten Stadtzentrums tatsächlich niemand mehr ein Wort Englisch verstand. Da durfte ich dann im Gehirn nach Worten graben und durch wilde Gesten mein Anliegen deutlich machen (das verstehen die Italiener sowieso!). Was ich damit sagen will, liebe Ani, ist Folgendes: Mich müsste man tatsächlich mal öfter in ein Auto mit einem Haufen Italiener ferchen. Eine Sprache lernt man schließlich am besten durch Sprechen. Und die Frustration der Sprachlosigkeit ist gleichzeitig die Motivation, Grammatik zu pauken und sich überhaupt zu trauen, den Mund aufzumachen – auch wenn das, was rauskommt, am Anfang vielleicht manchmal keinen Sinn ergibt. 

Stattdessen macht sich hier Bequemlichkeit breit: Lieber mit Freunden aus aller Welt noch mit einem Spritz auf dem Campo Santa Margherita anstoßen, als daheim zu sitzen und Verben zu konjugieren. Da lernt man zumindest so wichtige Sachen wie: „Ha un accendino?“ (Haste mal Feuer?) Und während unser Italienisch definitiv noch zu wünschen übrig lässt, rühre ich nebenbei die Werbetrommel für die deutsche Sprache. Der neue Lieblingsausdruck meiner Erasmuskumpanen lautet jetzt „treulose Tomate“. Darauf lässt sich aufbauen, oder?

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